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Dumm gelaufen

Autorenbild: Reinhard StraumannReinhard Straumann

Aktualisiert: 14. März

So ein Pech! Eigentlich wäre der Plan perfekt gewesen... Seit Herr Macron und Frau Merkel das Kommissionspräsidium Ursula von der Leyen in den Schoss geworfen hatten, lief es rund in der EU. Die Erweiterung nach Osten hatte bestens geklappt, ebenso die Koordinierung von EU und NATO. Zwar läuft der Krieg in der Ukraine nicht nach Plan, aber er läuft, und das ist die Hauptsache. Einen drohenden Friedensschlusses vor drei Jahren hat Boris Johnson in letzter Sekunde Gott sei Dank ja noch abwenden können, indem er Selenski, diesen Komiker, persönlich ins Gebet nahm. Die Stimmung in der Bevölkerung ist aufgeheizt, ganz nach Plan. Gibt es noch jemanden, der zweifelt, dass Russland der immerwährende Todfeind ist, die Bedrohung der Demokratie? Und dass es unsere Pflicht ist, sie zu retten und das Abendland dazu? Gewiss, das geht ins Geld, Aber wenn wir den Bürgern deutlich genug klar machen, dass Russland schon fast in Brandenburg steht, dann zahlen sie ohne Widerrede.

Den Herren Orban und Fico wird mit geeigneten Sanktionen auch noch beizukommen sein; notfalls müssen wir ihnen halt das Stimmrecht entziehen. Sollten irgendwo Wahlen aus dem Ruder laufen, wie neulich in Rumänien, dann annullieren wir sie, schliessen gefährliche Kandidaten aus oder ziehen die Brandmauern hoch. Es muss nur gelingen, den Abweichlern den Stempel „rechtsextrem“ aufzudrücken, dann ist die Sache gelaufen. Die paar unvermeidlichen Stänkerer und Besserwisser in den sozialen Medien wird man mit ein paar Gesetzen die Meinungsäusserungsfreiheit schon kappen können. Wäre ja noch schöner, wenn jeder einfach von sich geben dürfte, was ihm gerade durch den Kopf geht. Zum Glück ziehen die Medien ja mit, geradezu vorbildlich.

Wie gesagt, alles lief nach Plan. Doch dann: ein Betriebsunfall, den man nicht hat kommen sehen. Ein Irrer namens Donald Trump gewinnt die amerikanische Präsidentschaft. Und was macht dieser Irre? Er fraternisiert mit Putin, den wir doch zu einem perfekten Feindbild verarbeitet hatten. Es glaubt ja schon fast jedermann, Putin sei die Inkarnation von Hitler. Und jetzt diese Panne! Hilfe, der Frieden bricht aus.

Was machen wir jetzt in der EU? Einfach den USA hinterhertrotten, trotz aller Haken, die Trump schlägt, trotz aller Zölle, die er uns an den Hals wirft? Dann dürfte die Wahrheit nicht länger zu verheimlichen sein. Dann merken alle, wie konzeptlos wir sind. Zwar hatten wir schon einen Plan: nämlich dass der Krieg weitergehen müsse. Aber jetzt? Was machen wir? Der Friedensinitiative zustimmen, wenn auch nur zum Schein, um der Ukraine etwas Erholung und das Nachrüsten der Munition zu gönnen? Diese Strategie hat sich ja 2015, bei Minsk II, ausgezeichnet bewährt. Wird aber schwierig mit Trump.

Klar ist: Jeder überzeugte Neoliberale (und wer ist das nicht auf den Chefsesseln der EU) stimmt überein, dass die -zig-Milliarden, die die transatlantischen Investoren – BlackRock! – in den Ankauf ukrainischer Böden und Bodenschätze gesteckt haben, einen Return on Invest erfordern. Zumal es uns jetzt gelungen ist, den ehemaligen Chef von BlackRock Deutschland zum Kanzler zu machen und BlackRock an den Tisch der G7 zu bringen. –


Verläuft so eine Sitzung, wenn der Brite Starmer (der nicht einmal mehr zu EU gehört) zum Krisengipfel einlädt? Sicher ist, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Trumps Ausscheren aus der ihm zugedachten Rolle zeigt, was seit Anbeginn gespielt wird. Die EU ist ein neoliberales Projekt. Sie war es immer. Der Umstand, dass ihre Vorgänger sich in die Friedensidee einreihten, hat vielen Menschen die Sinne getrübt. Sie glaubten, was 1950 bei den Römer Verträgen galt, gelte unverändert für die EU: die Sicherung des Friedens durch gemeinsame Verwaltung der Rohstoffe für den Krieg, Kohle (heute Erdgas) und Stahl.

So kann man sich täuschen. Zweierlei zerstörte die hehren Absichten. Erstens: Zu Beginn der 80er-Jahre liessen sich Ronald Reagan und Margreth Thatcher vor den Karren der Neoliberalen spannen. Mit eiserner Faust zermalmten sie die Gewerkschaften, deregulierten die Wirtschaft und höhlten den Staat aus. Als das Werk vollendet war, zeigten sie mit Fingern auf diesen Staat und sprachen: Seht, der taugt ja nix. Fortan flossen die Steuern nicht mehr in Infrastruktur, Bildung, Gesundheit und Wohlfahrt, sondern, mittels verschiedener Durchlauferhitzer (Krieg gegen den Terror, Rüstung) in die Taschen der Investoren.

Zweitens: 1989 kollabierte die Sowjetunion. Die Wirtschaftsmacht des Westens hatte den Warschauer Pakt totgerüstet, so total, dass man das Ende der Geschichte kommen sah (Francis Fukuyama: End of History, 1992). Im State Departement und im Pentagon sah man darin den Auftrag, die Weltherrschaft zu übernehmen. Russland war ein Störfaktor, sollte aber eingehegt werden durch Umzingelung. Die Bombardierung Belgrads durch Bill Clinton 1999 machte den Anfang. Angeblich, um die von den Serben unterdrückten Kosovaren zu retten. Wer’s glaubt. Es war der erste Schritt der Umfassung Russlands. Der letzte Schritt wurde vom Friedensschalmeienbläser Obama eingetutet und sollte von Joe Biden ausgeführt werden: die Ukraine in die NATO zu holen. Oder, falls nicht möglich, wenigstens Russland auszubluten.

Clinton, Obama, Biden – die Demokraten haben den Krieg als das einträglichste neoliberale Projekt entdeckt. Und die EU konnte wunderbar mitsegeln, musste nicht einmal einen  eigenen Plan entwickeln. Zwar stieg die Schuldenlast der Staaten ins Unermessliche, aber die Shareholder waren zufrieden. Und darum geht es doch.

Und dann kommt so ein Stümper daher, ein Quereinsteiger ohne Ahnung von Diplomatie und Aussenpolitik. Einer, der seine Weltmacht führt wie eine Firma und findet: die Sicherheit Europas kostet zu viel  und bringt zu wenig. Also räumt er auf mit der Illusion von der transatlantischen Freundschaft. In der EU muss man wieder selbst denken. Schade, dass man es verlernt hat unterwegs. Dumm gelaufen.

 
 
 

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