Letzthin auf PHOENIX, dem ARD-Sender für politische Aktualität, zu sehen: Zwei Dokus zum Thema «Sterbende Demokratie». Der erste Beitrag hiess «Aufstieg der Populisten», der zweite «Erosion von innen». Das Fazit war ebenso eindeutig wie simpel: Die rechtslastigen, teils sogar rechtsextremen Parteien sind schuld. Wenn wir sie gewähren lassen, dann ist die Demokratie dem Untergang geweiht. Es ist ein Phänomen, das die ganze westliche Welt durchzieht. Die Rechtspopulisten aller Länder ziehen die Massen mit ihren wohlfeilen Parolen in Bann und versprechen Besserung für alle Probleme durch den Marsch zurück in die Zukunft. Denn alle sehen das Heil in der Vergangenheit. Früher waren wir noch nicht von Islamisten überflutet, früher hatten noch nicht die Bürokraten der EU und die Globalisten der Grosskonzerne das Sagen, früher bot der Nationalstaat eine emotionale Heimat. Früher war alles besser.
Viele facts & figures unterstreichen die These. Donald Trump wird am 20. Januar zum zweiten Mal als Präsident der USA vereidigt. Seinen erdrutschartigen Wahlsieg verdankt er dem Umstand, dass er sich abermals als Anwalt der kleinen Leute inszenierte, der den Eliten entgegentritt. Wie Giorgia Meloni von den «Fratelli d’Italia», wie der Holländer Geert Wilders, dessen Freiheitspartei 2023 das Amt des Ministerpräsidenten eroberte (worauf Wilders aber verzichtete), wie Marine Le Pen mit ihrem «Rassemblment nationale» in Frankreich (die zwar noch keinen Sieg errungen hat, diesem aber von Mal zu Mal näher rückt). Und insbesondere wie Viktor Orban mit der Fidesz-Partei in Ungarn, der 2010 das Amt des Ministerpräsidenten zum zweiten Mal eroberte und es seither innehat.
Orban hat für seine Innenpolitik das Schlagwort der illiberalen Demokratie geschaffen. Kein schlechter Schachzug, dieser widersprüchliche Begriff: Wir sind eine Demokratie, aber wir lassen uns nicht auf der Nase herumtanzen. Weder von den Technokraten in Brüssel noch von kulturfremden Islamisten noch von westlich-woken Zeitgeistsurfern.
Wie gross die Gefahr ist, die von allen Rechtslastigen auf die Demokratie in Europa ausgeübt wird, lassen wir hier offen, weil die Frage nicht einheitlich beantwortet werden kann (beispielsweise darf das Mass an Fremdenfeindlichkeit, das Wilders Freiheitspartei in den Niederlanden eigen ist, niemals mit der schweizerischen SVP gleichgesetzt werden). Kümmern wir uns stattdessen lieber um den Sonderfall eines Staates, wo die staatstragenden Parteien sich wehrhaft den Rechten entgegenstellen. Oder mindestens so tun, als ob…
Die Rede ist von der Bundesrepublik und ihrem Umgang mit der «Alternative für Deutschland». In Deutschland beobachten die Parteien den Aufstieg der AfD seit Jahren mit grösster Sorge. Aber das ist mitnichten eine Sorge um die Demokratie – das ist die simple Sorge um den Machterhalt. Die AfD hat sich aufgrund des kollektiven Versagens der Ampel nach den Unionsparteien an die zweite Stelle der politischen Kräfte geschoben und verfügt dort über ein Wählerpotential von gegen 25 Prozent. Ein Viertel… das gross genug ist, das politische Gefüge nachhaltig über den Haufen zu werfen.
Die arrivierten Parteien bekunden aber nicht die geringste Lust, sich auf dem Markt der politischen Fragen und Antworten auf den Wettbewerb einzulassen. Sie haben sich einen Trick ausgedacht, der erfolgversprechender ist als der Kampf um Wählerprozente. Er besteht darin, sich mit allem, was die AfD an Ideen entwickelt und vorschlägt, gar nicht auseinanderzusetzen, sondern a priori in die Welt zu posaunen: ihr seid Faschisten, ihr seid Anti-Demokraten, ihr seid nicht würdig, mit uns in den Wettbewerb zu treten. Ihr seid out. Um alle Unterstellungen zu unterfüttern, hat die Regierung den sogenannten «Verfassungsschutz» beauftragt, Material gegen die AfD zu sammeln.
«Verfassungsschutz» klingt gut, ist aber in Tat und Wahrheit nichts anderes als ein Inland-Geheimdienst, der seine Direktiven von der Regierung erhält. Unter seltsamsten Manövern hat Thomas Haldenwang, Chef dieser Behörde, eine Reihe dubioser Anschuldigungen gegen einzelne Exponenten der AfD zusammengetragen und kommt zum Ergebnis: ein Viertel der deutschen Wählerschaft sei insgesamt «gesichert rechtsextrem». Dieses Verdikt darf seither ungehindert kolportiert werden. Insbesondere aus den Reihen der Union wird davon in der unflätigsten Weise Gebrauch gemacht.
Da wir seit einigen Tagen wissen, dass auf den 23. Februar 2025 die Neuwahl des Deutschen Bundestages angesetzt ist, haben 113 Abgeordnete (vornehmlich der CDU) jetzt die ganz grosse Keule hinter dem Ofen hervorgeholt. Sie holen zum Rundumschlag aus und wollen die AfD schlicht und einfach verbieten. Sie erhalten Sukkurs von 17 Rechtsprofessoren verschiedener Hochschulen, die sich geäussert haben: Doch, doch, kann man machen, hat Aussicht auf Erfolg.
Was heisst das alles? Nichts anderes, als dass einige politische Parteien, die zusammen über eine Mehrheit verfügen, ihren Machtvorsprung nutzen, um eine ihnen gefährlich werdende Opposition zu verbieten. Geht es noch undemokratischer? Die Angst vor dem Verlust ihrer Mandate ist bei vielen Abgeordneten offenbar so gross, dass sie sich über die Folgen keine Gedanken machen – über die Schäden an der Demokratie (welche man angeblich verteidigt) und am sozialen Frieden generell. Kommt der Antrag durch, ist die Demokratie in Deutschland erledigt. Ein solches Mass an Illiberalität und Demokratiefeindlichkeit, wie die CDU unter der Regentschaft von Friedrich Merz an den Tag legt, hat sich noch keine Rechtsaussenpartei zuschulden kommen lassen.
Und wozu? Um den Krieg in der Ukraine – vor dem Merz bekanntlich auch dann keine Angst hat, wenn er sich zum Atomkrieg ausweitet – um jeden Preis weiterzuführen. Um für BlackRock, der grauen Macht hinter Merz, die Rendite abzuschöpfen. Bei allen notwendigen Vorbehalten: Da lobe ich mir doch das rechte Spektrum, das in seiner Sorge um den Frieden viel weiter links steht als all die Kriegsgurgeln aus dem politischen Establishment.
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